- Text : Marketing der ALH Gruppe
- Lesedauer : 4 Minuten
Prof. Ramich, „morgens wie ein Kaiser, abends wie ein Bettelmann“ – das haben schon unsere Großeltern gepredigt. Ihre aktuelle Studie bestätigt das. Aber was ist das Neue daran?
Neu ist der klare Zusammenhang mit dem Glukose-Stoffwechsel. Wir haben zum ersten Mal gezeigt, dass eine Person, die die meisten Kalorien in der zweiten Tageshälfte zu sich nimmt, weniger gut auf Insulin reagiert.
Das bedeutet, die Körperzellen sprechen schlechter auf das Zuckerhormon Insulin an und können Glukose aus dem Blut weniger rasch aufnehmen.
Genau. Dann steigt der Blutzuckerspiegel. Das erklärt, warum Menschen, die die meisten Kalorien abends zu sich nehmen, tendenziell ein erhöhtes Diabetesrisiko haben.
Besonders interessant: Dieser Zusammenhang ist unabhängig vom Körpergewicht, unabhängig von der Menge der Kalorien, die insgesamt am Tag konsumiert wurden – und auch unabhängig von Alter und Geschlecht.
Zur Person
Prof. Dr. Olga Ramich ist Leiterin der Forschungsgruppe Molekulare Ernährungsmedizin am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke. Im Juni 2024 erhielt sie die Heisenberg-Professur der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Nun haben aber nicht alle Menschen den gleichen Biorhythmus. Die sogenannten Lerchen, die automatisch früh aufwachen und dann topfit sind, sind da in unserer Gesellschaft offenbar im Vorteil. Was aber ist mit den Eulen, deren innere Uhr verzögert tickt? Müssen die auch möglichst früh die meisten Kalorien zu sich nehmen?
In unserer Studie haben wir tatsächlich den sogenannten Chronotyp mitberücksichtigt. Wir haben also nicht bloß auf die Uhr geguckt, sondern erstmal geschaut, wann eine Person schlafen geht und wann sie aufsteht. Daraus haben wir den individuellen Mittelpunkt der Schlafphase errechnet.
Kurze Rechnung: Bei einer ausgeprägten Eule, die um zwei Uhr morgens ins Bett geht und bis 10 Uhr schlummert, liegt der Schlafmittelpunkt erst um sechs Uhr morgens. Bei einer Lerche, die um 21:30 Uhr zu Bett geht und schon um 5:30 Uhr aufwacht, wäre das schon um halb zwei am Morgen.
Genau. Diesen Schlafmittelpunkt haben wir mit dem sogenannten kalorischen Mittelpunkt abgeglichen.
Das müssen Sie kurz erklären.
Der kalorische Mittelpunkt ist der Zeitpunkt des Tages, zu dem man 50 Prozent seiner Tageskalorien zu sich genommen hat.
Für den Stoffwechsel ist entscheidend, wie groß der Abstand zwischen dem kalorischen Mittelpunkt und dem Schlafmittelpunkt in der folgenden Nacht ist. Je mehr Zeit zwischen diesen zwei Mittelpunkten liegt, desto stoffwechselgesünder ist die Person in der Regel.
Das bedeutet, Eulen können später zu Abend essen als Lerchen?
Ja, das scheint tatsächlich so zu sein. Ein günstiger kalorischer Mittelpunkt kann bei einer Eule später liegen als bei einer Lerche. Genetisch bedingt sind alle biologischen Rhythmen bei den Eulen nach hinten verschoben – und damit entsprechend vermutlich auch der Stoffwechsel.
Allerdings kann sich nicht jeder seinen Tagesrhythmus selbst aussuchen. Eulen haben es da meist schwerer.
Richtig, auch Nachteulen müssen früh aufstehen, um ihre Kinder zur Schule zu bringen und rechtzeitig zur Arbeit zu kommen. Und viele von ihnen neigen trotzdem dazu, spät ins Bett zu gehen. Während der Arbeitswoche leiden sie dann regelrecht unter einem „sozialen Jetlag“. Diesen Schlafmangel versuchen sie am Wochenende wieder auszugleichen.
Dieses ständige Schwanken hat aber ebenfalls einen negativen Einfluss auf den Stoffwechsel. Das ist nicht so massiv wie bei Leuten in Schichtarbeit, hat aber trotzdem messbar negative Auswirkungen, das belegen auch Studien.
Haben Sie Tipps für Eulen mit Jetlag?
Ein bisschen kann man seinen natürlichen Rhythmus austricksen. Den Eulen empfehlen wir, morgens vor die Tür zu gehen, zumindest bei Tageslicht. Die Sonne ist der stärkste Zeitgeber: Morgens getankt, stellt sie unsere innere Uhr etwas nach vorne.
Was hilft noch?
Man kann versuchen, doch mal etwas früher ins Bett zu gehen, um zumindest den Schlafmangel zu reduzieren. Und man kann auch versuchen, am Wochenende den Rhythmus nicht zu stark nach hinten zu verschieben.
Das heißt, ich würde sonntags gern bis elf Uhr durchschlafen, stelle mir den Wecker aber trotzdem auf halb zehn?
Genau. Eine Art Kompromisslösung. Aber natürlich gibt es weitere Faktoren, die einen gesunden Stoffwechsel unterstützen: auf gesundes Essen achten und natürlich körperlich aktiv sein. Das wirkt den negativen Folgen des sozialen Jetlags entgegen.
Mal weg von den Nachteulen: Manche Menschen haben morgens einfach noch keinen Appetit. Dann wird es schwierig, die meisten Kalorien in der ersten Tageshälfte zu sich zu nehmen. Haben Sie auch da einen Tipp?
Tatsächlich sind es meist die Spättypen, die morgens noch keinen Appetit haben, weil alle Prozesse noch nicht angekurbelt sind. Hungergefühl entwickelt sich dann eher später am Tag. Lerchen haben meist gleich schon nach dem Aufstehen Hunger.
Appetit hat aber auch viel mit Gewöhnung zu tun. Unser Körper stellt sich relativ schnell um, wenn man zu bestimmten Uhrzeiten isst. Das haben wir in einer Studie zum Intervallfasten beobachtet. Man kann dem Körper recht schnell ein Stück weit antrainieren, zu bestimmten Zeiten zu essen. Fangen Sie mit einem kleinen Frühstück an. Nach einigen Tagen hat sich der Körper an diese Uhrzeit angepasst.
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