- Text : Christiane Fux
- Lesedauer : 3 Minuten
Mit dem Body-Mass-Index (BMI) schätzt die Medizin ein, ob ein Mensch unter-, normal- oder übergewichtig ist – oder sogar fettleibig (adipös). Er basiert nur auf Körpergewicht und Körpergröße. Deshalb ist das Verfahren nicht besonders zuverlässig.
Der BMI berücksichtigt nicht, wie hoch der Anteil an Muskelmasse am Gewicht ist, sodass ein topfitter muskulöser Mensch plötzlich als übergewichtig gilt.
Zudem erfasst der BMI auch die Fettverteilung nicht. Dabei ist schon lange klar, dass Fett im Bauchraum besonders schädlich ist, während die Polster am Gesäß und an den Oberschenkeln kaum schaden.
Je älter, desto problematischer?
Jetzt fügt sich der Kritik am BMI noch ein weiterer Aspekt hinzu: Mit zunehmendem Alter scheint er immer unzuverlässiger zur Beurteilung des fettpolsterbedingten Gesundheitsrisikos zu werden.
Darauf weist eine Untersuchung hin, die ein Team um Prof. Marwan El Ghoch von der Universität Modena durchgeführt hat. Sie zeigt, dass sich mit zunehmendem Alter der Anteil der Muskelmasse im Körper reduziert, wohingegen der von Fett steigt. Das gilt auch für Personen, deren BMI sich nicht signifikant verändert.
Gilt der BMI auch noch ab 40 Lebensjahren?
Für seine Berechnungen hatte das Forschungsteam die Körperkomposition von 4800 Erwachsenen aus drei Altersgruppen untersucht: junge Erwachsene, Erwachsene mittleren Alters und Erwachsene höheren Alters.
Das Ergebnis: Den BMI-Kriterien der Weltgesundheitsorganisation zufolge erreichten 38 Prozent der Männer und 41 Prozent der Frauen mindestens einen BMI von 30 kg/m² – was als adipös gilt.
Orientierte man sich jedoch am Körperfettanteil, wiesen etwa zwei Drittel der Männer (71 Prozent) und Frauen (64 Prozent) Adipositas auf. Dabei stuften die Forschenden Teilnehmende mit einem Körperfettanteil ab 40 Prozent (Frauen) beziehungsweise ab 28 Prozent (Männer) als adipös ein.
Das bedeutet: Mit den WHO Kriterien auf Basis des BMI fallen 40 Prozent der Frauen und fast die Hälfte der fettleibigen Männer durchs Raster.
Neuer Adipositas-Grenzwert von 27?
Die Forschenden schlagen daher vor, die Grenze für Adipositas ab einem Alter von 40 Jahren nicht mehr bei einem BMI von 30, sondern bereits bei 27 zu ziehen. „Dieser neue BMI-Grenzwert trägt den physiologischen Unterschieden zwischen Erwachsenen mittleren und höheren Alters und jüngeren Bevölkerungsgruppen Rechnung“, erklärt Studienleiter El Ghoch.
Sind viel mehr Menschen fettleibig als gedacht?
Wenn wir weiterhin den WHO-Standard für Adipositas-Screening verwenden, werden wir viele Erwachsene mittleren Alters und ältere Menschen übersehen, die ein erhöhtes Erkrankungsrisiko tragen
Prof. Antonino De Lorenzo von der römischen Universität Tor Vergata
Körperfett im Rumpfbereich nimmt zu
Neben dem BMI und dem Gesamt-Fettanteil im Körper ermittelten die Forschenden auch die Fettverteilung bei den Teilnehmenden. Bei beiden Geschlechtern stieg mit zunehmendem Alter vor allem der Anteil an Körperfett im Rumpfbereich. Der Anteil an Muskeln in den Gliedmaßen, im Hüftbereich und im Schulterbereich hingegen schwand.
Die Veränderungen in der Körperzusammensetzung im Laufe des Lebens fänden anscheinend ohne eine signifikante Veränderung des Körpergewichts statt, schreiben die Forschenden. Sie würden jedoch auf eine Adipositas bei einem niedrigeren BMI hinweisen.
Die Autoren und Autorinnen erklären, dass eine derart veränderte Körperzusammensetzung erhebliche negative Folgen für die Gesundheit haben. Dazu gehören Entzündungsbotenstoffe, die das Fett rund um die Bauchorgane (viszerale Fett) in den gesamten Körper schickt und vielerorts unbemerkt chronische Entzündungsprozesse befeuert. Auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes steigt mit zunehmendem Bauchfett.
Neuer BMI schützt Millionen
Die Einführung des neuen BMI-Grenzwerts in klinischen Einrichtungen und Adipositas-Leitlinien werde sich positiv auf die potenzielle Gesundheit von Millionen älterer Erwachsener auswirken, sagt De Lorenzo.
Allerdings müssten die Ergebnisse noch durch sogenannte Längsschnittstudien bestätigt werden, bei denen die Veränderung bei einzelnen Personen über einen längeren Zeitraum verfolgt werden.
„Waist-to-Hip-Ratio“ spiegelt das Risiko besser
Als dem BMI überlegen hat sich in der Vergangenheit die sogenannte Waist-to-Hip-Ratio (WHR) erwiesen, die das Verhältnis von Bauch- und Taillenumfang ermittelt.
Schritt für Schritt Anleitung zum Messen des Waist-to-Hip-Ratio
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Taillenumfang messen in der Mitte zwischen unterem Rippenbogen und dem Beckenkamm.
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Hüftumfang messen auf Höhe der maximalen Hüftbreite.
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Taillenumfang durch Hüftumfang teilen.
Auswertung:
Als normal gilt ein Verhältnis von unter 0,8 bei Frauen und unter 0,9 bei Männern. Erhöht sind Werte von 0,8 bis 0,84 (Frauen) sowie 0,9 bis 0,99 (Männer). Darüber liegende Werte gelten als gesundheitlich riskant.
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