- Text : Christiane Fux
- Lesedauer : 2 Minuten
Das Smartphone ist für viele Menschen weltweit selbstverständlicher und ständiger Begleiter. Im Job, in der Freizeit, sogar beim Schlafen. Wir informieren uns darüber, pflegen soziale Beziehungen, organisieren unser Leben und lassen uns berieseln.
Nicht selten rutscht die Sache nach und nach in ungesunde Bahnen ab. Manche entwickeln eine Internetsucht mit psychischen Entzugserscheinungen, wenn sie den Konsum reduzieren. Ein anderes Phänomen ist die Nomophobie, die zu den Angststörungen zählt. Nomophobie steht für „no mobile phone phobia“. Sie tritt vor allem bei exzessiver Smartphone-Nutzung auf und beschreibt die Angst, vom eigenen Smartphone getrennt zu sein.
Panik im Funkloch
„Geht das Handy verloren oder ist man aufgrund eines Funklochs oder eines leeren Akkus kurzzeitig nicht erreichbar, kommt es zu einem subjektiv verschobenen, übermäßigen Angstempfinden“, erklärt Yvonne Görlich, Professorin für Psychologische Diagnostik und Differentielle Psychologie an der PFH Private Hochschule Göttingen.
Die Wissenschaftlerin und ihr Team haben untersucht, wie viele Menschen in Deutschland von Nomophobie betroffen sind. Dafür gewannen sie 807 Probanden und Probandinnen mit einem Durchschnittsalter von 25 Jahren. Die Befragten nutzten ihr Smartphone durchschnittlich 64-mal beziehungsweise 4 Stunden und 16 Minuten pro Tag.
Fragebogen enthüllt Smartphone-Ängste
Das Forscherteam legte ihnen eine eigens angefertigte Übersetzung des international geläufigen Fragebogens „Nomophobia Questionnaire NMP-Q“ vor. Dieser umfasst insgesamt 20 Aussagen, die von den Testpersonen auf einer 7-stufigen Skala von „Ich stimme überhaupt nicht zu“ bis „Ich stimme vollkommen zu“ bewertet werden. Darunter waren Aussagen wie
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Es würde mich nervös machen, wenn ich auf meinem Smartphone keine Nachrichten abrufen könnte (z. B. Ereignisse, Wetter usw.).
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Es würde mir Angst machen, wenn der Akku meines Smartphones zur Neige ginge.
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Ich würde mich unwohl fühlen, weil ich in den sozialen Medien und Online-Netzwerken nicht auf dem Laufenden bleiben könnte.
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Ich wäre ängstlich, weil ich nicht mit meiner Familie und/oder meinen Freunden in Kontakt bleiben könnte.
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Ich wäre nervös, weil ich nicht wissen könnte, ob jemand versucht hat, mich zu erreichen.
Die Antworten bilden die Stärke von vier Dimensionen ab, die bei einem „Smartphone-Entzug“ auftreten können:
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Nicht kommunizieren können
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Verbindungsverlust
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Nicht auf Informationen zugreifen können
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Komfortverzicht
Die Forschungsergebnisse
Zusätzlich ermittelten die Forschenden verschiedene psychologische und Persönlichkeits-Faktoren bei den Probanden. Die Auswertung ergab, dass fast die Hälfte der Teilnehmenden (49,4 %) ein mittleres Maß an Nomophobie aufwies, weitere 4,1 % hatten sogar eine schwere Nomophobie. Personen mit Nomophobie zeigten häufiger Anzeichen von Smartphone-Sucht und der „Angst, etwas zu verpassen“ (Fear of Missing Out: FoMO). Ohne ihr Smartphone fühlten sich Betroffene unwohl, waren nervös, ängstlich oder gereizt.
4,1 %
Nomophobie
im schwerem Maße
Als Krankheit noch nicht anerkannt
Noch ist Nomophobie zwar keine anerkannte Krankheit. „Angesichts der so weit verbreiteten Smartphone-Nutzung und internationaler Studienergebnisse liegt die Frage nahe, ob Nomophobie in die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) oder das Diagnostische und Statistische Handbuch Psychischer Störungen (DSM) aufgenommen werden sollte und damit als Angststörung anerkannt wird“, sagt Görlich.
Im ICD sind schon lange andere spezifische Phobien wie Arachnophobie (Spinnenphobie) oder Flugangst aufgelistet. Der Katalog wird laufend an die veränderlichen Umweltgegebenheiten angepasst. 2022 wurde beispielsweise die Computerspielsucht in der Rubrik Verhaltenssüchte neu aufgenommen.
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