Gesundheit

Weinendes Baby mit Mutter
16. Februar 2023

Studie: Wie man ein weinendes Baby beruhigt

Kinderweinen geht ans Herz und kann Eltern emotional und körperlich regelrecht zermürben – insbesondere nachts. Jetzt hat sich ein Forschungsteam des Problems genähert. Es hat untersucht, welche Strategie die wirksamste ist, um brüllende Winzlinge zurück in den Schlaf zu lotsen.

  • Text : Christiane Fux
  • Lesedauer : 3 Minuten

Was bringen Tragen, Schaukeln, Halten, Betten?

Forschende um Nami Ohmura vom RIKEN Center for Brain Science in Saitama erforschten die Wirkung von vier Maßnahmen einzeln und in Kombination. Dazu zeichneten sie per Video auf, wie die Mütter ihre Babys herumtrugen, im Kinderwagen schaukelten, sitzend im Arm hielten und ins Bettchen oder einen Kinderwagen legten. Außerdem registrierten sie den Herzschlag der Kinder mit einem tragbaren EKG.

Das Weinen der Kinder nahm nur ab, wenn die Babys in Bewegung waren, also entweder geschaukelt oder herumgetragen wurden. Hielten die Mütter ihr Kind im Sitzen oder legten sie es ins Bett, weinten die Kinder unvermindert weiter.

Der Schlummer kommt nach 5 Minuten Herumtragen

Am besten funktionierte es, die Kinder herumzutragen. Nach fünf Minuten hatten alle weinenden Babys aufgehört zu weinen, und fast die Hälfte von ihnen war eingeschlafen, berichten die Forscher. Das funktionierte auch am Tage, wenn die Kinder normalerweise wach waren. Allerdings wachte jedes dritte Kind wieder auf und weinte erneut, sobald die Eltern es ins Bett legten. Weinten die Baby nicht, waren sie auf diese Weise kaum zum Schlafen zu bewegen. „Weinende Kinder sind wahrscheinlich müder als Kinder, die nicht weinen“, vermuten die Autoren.

5min

Das Baby herumtragen

stoppt das Weinen

Verlust von Körperkontakt lässt Kinder erwachen

Die EKG-Daten der Kinder lieferten dem Team zudem Hinweise darauf, was eingeschlummerte Säuglinge wieder erwachen ließ. Dabei zeigte sich, dass die Herzfrequenz der Babys, sobald der Körperkontakt zur Mutter unterbrochen wurde, mitunter so stark anstieg, dass sie wieder aufwachten. Der Versuch, das Baby behutsamer hinzulegen, machte keinen Unterschied.

Erfolgreichste Einschlafhilfe: Die 5+8-Minuten-Strategie

Als vielversprechendste – wenn auch nicht unfehlbare Strategie – erwies sich folgendes Schema:

Das Team empfiehlt den Eltern, ihr weinendes Baby hochzunehmen, dann fünf Minuten lang mit ihm spazieren zu gehen – und zwar ohne abrupte Stopps oder plötzliche Richtungsänderungen. Anschließend sollten sie sich hinsetzen und das Kind nochmals fünf bis acht Minuten lang halten, bevor sie es wieder hinlegen.

Das Umhergehen selbst beruhigt die Kinder und lässt sie leicht einschlummern, auf dem Schoß gehalten fallen sie dann häufig in einen tieferen Schlaf und erreichen schließlich einen Zustand, in dem sie nicht mehr aufwachen, wenn die Eltern sie ins Bett legen.

Bei Bauchweh eher wirkungslos

Das Forscherteam betont jedoch, dass die 5+8-Methode keine Schlafgarantie sei:

„Babys können aus sehr unterschiedlichen Gründen schlaflose Nächte haben“, sagt Studienleiter Gianluca Esposito, Professor für Entwicklungspsychologie an der Universität Trient und Mitautor der Studie. „Wenn das Baby Bauchschmerzen hat, glaube ich nicht, dass das viel bringen wird.“ Schlaflose Nächte gehörten zum Elternsein dazu, so der Wissenschaftler.

Interaktion von Mutter und Kind

Für die Studie hatte das Team die Interaktion von neun Säuglingen zwischen 0 und 7 Monaten und ihren Müttern in unterschiedlichen Settings beobachtet. Die insgesamt 32 Sessions fanden daheim oder im Labor statt. Die Aufzeichnungen begannen ein bis zwei Stunden nach der letzten Fütterung, damit nicht verdauungsbedingte Irritationen die Experimente beeinflussten, und frühestens zehn Minuten, nachdem man den Kindern die EKG-Elektroden angelegt hatte.

Die Forscher möchten in einem nächsten Schritt mit einer größeren Gruppe von Eltern und Kindern arbeiten und die Untersuchung um weiter Parameter erweiterten, beispielswiese Lautäußerungen der Mütter oder Gesichtsausdruck von Mutter und Kind.

Evolutionärer Vorteil durch „Duldungsstarre“

Hinter dem beruhigenden Effekt des Herumtragens vermuten Wissenschaftler ein evolutionsbiologisches Programm: Bei Gefahr müssen Säugetiere ihre Jungtiere in Sicherheit bringen. Da dies schwierig wird, wenn der Nachwuchs sich sträubt, ist ein beruhigender Effekt des Herumtragens sinnvoll.

Getragen zu werden löst einen Reflex aus, der über den Vagusnerv das Signal zur Entspannung der Muskulatur gibt und beruhigend wirkt. Gut zu beobachten ist dies unter anderem bei Katzen- und Hundebabys, die in eine sogenannte Duldungsstarre verfallen, wenn die Mutter sie am Nacken packt und davonträgt.

Menschliche Eltern werden diesen Effekt möglicherweise mit leichtem Neid beobachten.

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