Arbeitswelt

Mutter mit Kindern auf Couch
13. September 2018

Ohrgeräusch als Arbeitsunfall oder Berufskrankheit?

Laut Experten hat fast jeder Mensch irgendwann für Sekunden oder Minuten unerklärliche Ohrgeräusche. Von einem Tinnitus spricht man, wenn dieses Leiden öfter auftritt oder länger anhält. Inwieweit dies eine Berufskrankheit oder ein Arbeitsunfall sein kann, hatte jüngst ein Gericht zu klären.

  • Text : Marketing der ALH Gruppe
  • Lesedauer : 3 Minuten

Allein die Tatsache, dass eine Erzieherin regelmäßig dem Geschrei von Kindern ausgesetzt ist, rechtfertigt nicht die Annahme, dass ein Tinnitus, unter dem sie leidet, auf die berufliche Belastung zurückzuführen ist. Das hat das Sozialgericht Dortmund mit einem kürzlich veröffentlichten Urteil entschieden (Az.: S 17 U 1041/16).

Eine Frau ist als Erzieherin in einem heilpädagogischen Kinderheim beschäftigt. Dort war sie regelmäßigem Kindergeschrei ausgesetzt. Einer dieser Schreie direkt in eines ihrer Ohren war nach Angaben der Frau jedoch besonders heftig gewesen, sodass dieser einen Tinnitus ausgelöst habe. Dessen Folgen wollte die Erzieherin von ihrer zuständigen Berufsgenossenschaft als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung als Arbeitsunfall anerkannt wissen. Sie verlangte daher unter anderem die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines sogenannten Tinnitusmaskers.

Bei diesem Gerät handelt es sich um einen sogenannten Rauschgenerator, der durch das Erzeugen gleichmäßigen Rauschens aus Tönen verschiedener Höhen einen Tinnitus akustisch überdecken und ihn dadurch „maskieren“ und letztlich auslöschen soll. Der Masker wird von den Betroffenen ähnlich wie ein Hörgerät getragen. Er wird von der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. empfohlen. Die Berufsgenossenschaft lehnte es jedoch ab, die Folgen des Kinderschreies in das Ohr der Klägerin als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Nicht zu beweisen

Die Erzieherin klagte gegen die Ablehnung vor Gericht und erlitt dort eine Niederlage. Nach Ansicht des Dortmunder Sozialgerichts gilt es in der medizinischen Wissenschaft als anerkannt, dass es selbst bei einem durch menschliche Schreie erreichbaren Spitzenschallpegel von bis zu 130 Dezibel allenfalls zu Mini-Lärmtraumata kommen kann. Derartige Traumata würden jedoch schlimmstenfalls mit einer vorübergehenden beziehungsweise nur äußerst geringen Hörminderung einhergehen.

Bleibende Hörschäden wie etwa eine Taubheit oder ein Tinnitus seien hingegen auch durch Kindergeschrei direkt ins Ohr eines Menschen nicht zu erwarten. Es wäre daher Sache der Klägerin gewesen, das Gegenteil zu beweisen. Das ist ihr nicht gelungen. Ihre Klage wurde von den Richtern daher als unbegründet zurückgewiesen. Wie schwer es ist, einen Tinnitus als Berufskrankheit anerkennen zu lassen, belegen verschiedene Urteile, wie die des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Az.: L 6 U 4089/15) und des Karlsruher Sozialgerichts (Az.: S 1 U 2602/16).

Auch in diesen Fällen gingen betroffene Kläger leer aus. Laut Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg gilt beispielsweise: Nur wer nachweisen kann, dass er über viele Arbeitsjahre hinweg bei einem Achtstundentag täglich einer Lärmeinwirkung von mehr als 85 Dezibel (A) ausgesetzt war, hat im Fall eines Hörschadens eine Chance, dass dieser als Berufskrankheit anerkannt wird. Allerdings sind Beschäftigte ab einem Lärmpegel von 85 dB am Arbeitsplatz verpflichtet, einen Gehörschutz zu tragen, damit es nicht zu Hörschäden kommt.

Informationen zu Tinnitus und berufsbedingten Lärmschäden

Wie der Fall zeigt, wird eine vermutlich durch die Arbeit verursachte Krankheit nicht immer als Berufskrankheit anerkannt. Doch auch wenn eine Anerkennung erfolgt, muss man mit Einkommenseinbußen im Vergleich zum bisherigen Verdienst rechnen, wenn man aufgrund der Beschwerden seinen Beruf nur noch zeitlich begrenzt oder gar nicht mehr ausüben kann. Denn die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung ersetzen die dadurch verursachten Einkommenseinbußen nur teilweise.

Die private Versicherungswirtschaft bietet allerdings Lösungen an, um sowohl einen fehlenden gesetzlichen Versicherungsschutz als auch die eventuell durch Unfall oder Krankheit auftretenden Einkommenslücken abzusichern. Zu nennen ist hier beispielsweise eine Erwerbs- oder Berufsunfähigkeits-Versicherung. Übrigens: Mehr über die Ursachen von Tinnitus und die möglichen Behandlungsformen im Allgemeinen enthält der Webauftritt des Deutschen Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V.

Informationen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber über das Thema berufsbedingte Lärmschäden bietet die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in ihrem Webauftritt. Unter anderem sind hier ein mehrseitiges Merkblatt und die Broschüre „Gesundheitsschutz Lärmwirkungen“ kostenlos herunterladbar. Auch das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) wartet in ihrem Webportal mit umfassenden Hintergrund-Informationen und Präventionstipps zum Thema Lärm am Arbeitsplatz auf.

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