- Text : Christiane Fux
- Lesedauer : 3 Minuten
Frauen haben im Krankheitsfall immer noch schlechtere Karten. Dafür gibt es viele Gründe: Beispielsweise werden ihre Beschwerden oft weniger ernst genommen oder sie erhalten später medizinische Hilfe.
Vor allem aber ist die Behandlung der meisten Erkrankungen vorwiegend an Männern erforscht worden – und entsprechend auf diese zugeschnitten.
Herzinfarkte geschlechtsabhängig behandeln
Ein internationales Gremium unter Leitung der MedUni Wien hat jetzt erstmals konkrete Empfehlungen zur geschlechterspezifischen Behandlung von Herzinfarkten veröffentlicht.
Dieses Konsensus-Statement betont die Notwendigkeit, die Therapie von Frauen mit Herzinfarkt „gezielt an deren biologische und klinische Besonderheiten anzupassen“.
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Medikamentengabe nach Körpergewicht
Die Expertinnen und Experten empfehlen beispielsweise, die Dosierung von gerinnungshemmenden Medikamenten wie Heparin und Plättchenhemmern wie Aspirin individuell nach Körpergewicht und Nierenfunktion zu berechnen. Das senkt das Risiko für unerwünschte Blutungen. -
Katheter durch den Arm statt durch die Leiste
Außerdem raten sie, Katheter bevorzugt über die Arterie am Handgelenk einzuführen – ein Zugang, der bei Frauen mit weniger Blutungskomplikationen verbunden ist als der übliche Zugang über die Leistengegend. -
Manche Infarktformen treffen vorwiegend Frauen
Besonderes Augenmerk richten die Mediziner und Medizinerinnen auch auf spezielle Formen von Infarkten, die vorwiegend bei Frauen auftreten.Dazu zählt ein MINOCA (Myokardinfarkt ohne Verschluss der Herzkranzgefäße), ein Herzinfarkt, bei dem keine starke Verengung der Koronararterien vorliegt – die Hauptursache für einen Herzinfarkt. Außerdem das Krankheitsbild SCAD (spontane koronare Arteriendissektion), bei der die Wand eines Herzkranzgefäßes einreißt.
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Herzinfarkte sehen bei Frauen anders aus
Schon lange weiß man, dass sich ein Herzinfarkt bei Frauen anders zeigt als bei Männern. Die „klassischen“ Anzeichen – wie ausstrahlende Brustschmerzen und Engegefühl in der Brust – fehlen bei ihnen oft. Bei Frauen macht sich der Notfall oft unspezifischer bemerkbar, beispielsweise durch Übelkeit, starke Müdigkeit und Rückenschmerzen.Da Frauen außerdem vor den Wechseljahren durch höhere Östrogenspiegel vor Herz-Erkrankungen geschützt sind, sind sie oft älter als Männer, die einen Infarkt erleiden – und bringen dann auch häufiger entsprechende Vorerkrankungen wie Diabetes oder Nierenleiden mit.
Zudem wirken sich hormonelle Schwankungen im Lebensverlauf – etwa durch Menstruation, Schwangerschaft oder Wechseljahre – auf das Blutgerinnungssystem und damit auch auf das Blutungs- und Thromboserisiko aus.
Frauen in der Forschung unterrepräsentiert
Trotz dieser bekannten Unterschiede sind Frauen in klinischen Studien zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen stark unterrepräsentiert. „Die Biologie von Frauen war in der kardiovaskulären Forschung lange unterbelichtet“, erklärt Jolanta Siller-Matula.
Das Konsensus-Statement liefere jetzt eine fundierte Grundlage für eine geschlechtersensible Versorgung.
Es ist ein Aufruf an die gesamte kardiologische Gemeinschaft, hier systematisch umzudenken
Prof. Dr. Jolanta Siller-Matula – Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie
Nach einem Herzinfarkt sterben mehr Frauen als Männer
Werden die neuen Empfehlungen in der kardiologische Versorgung künftig berücksichtigt, dürfte das Leben retten. Aktuell sterben deutlich mehr Frauen als Männer, wenn sie einen Herzinfarkt erleiden. Das zeigt eine ganze Reihe von Untersuchungen.
Eine davon ist eine portugiesische Studie am Hospital Garcia de Orta aus dem Januar 2025.
Untersuchungsergebnisse eindeutig
An ihr nahmen 884 Patientinnen und Patienten mit einem schweren Herzinfarkt teil. Knapp ein Drittel von ihnen waren Frauen. Sie waren im Durchschnitt zwar etwas älter als die Männer, rauchten aber seltener und litten auch seltener an einer koronaren Herzkrankheit (KHK).
Dennoch verlief der Herzinfarkt für sie öfter tödlich: Innerhalb von 30 Tagen nach dem Infarkt starben 11,6 Prozent der Frauen – von den Männern waren es lediglich 4,6 Prozent. Nach fünf Jahren waren 32,1 Prozent der Patientinnen verstorben, aber nur 16,9 Prozent der Männer.
Damit war das Sterberisiko der Frauen nach einem schweren Infarkt sowohl in den ersten Wochen als auch noch nach mehreren Jahren etwa doppelt so hoch wie das der Männer. Das weist darauf hin, dass nicht nur die Akutversorgung, sondern auch die Nachbetreuung von Frauen verbessert werden muss.
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erhöhtes Sterberisiko bei Frauen
bei Herzinfarkten
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