Gesundheit

Frau und Mann trinken Wasser beim Sport
7. Oktober 2025

Bewegung schützt das Herz – aber wie?

Dass körperliche Aktivität das Herz schützt, weiß man schon lange: Bewegung wirkt Risikofaktoren entgegen wie Übergewicht, Bluthochdruck oder der Bildung von Plaque-Ablagerungen an den Gefäßwänden – die sogenannte Arteriosklerose.

  • Text : Christiane Fux
  • Lesedauer : 3 Minuten

Damit ließen sich aber nur rund 60 Prozent des positiven Effekts von körperlicher Aktivität auf die Reduktion von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erklären, schreibt ein Team der Harvard Medical School in Boston. „Daher sind hier möglicherweise weitere Mechanismen im Spiel“, erklärt Leiter Dr. Ahmed Tawakol.

Körperliche Aktivität reduziert die Stressreaktionen im Gehirn

Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen hat er einen weiteren Mechanismus identifiziert und untersucht: Körperliche Aktivität reduziert die stressbedingte Gehirnaktivität. Und genau davon scheinen Herz und Gefäße erheblich zu profitieren.

„Stress wird von einem Netzwerk verschiedener Gehirnregionen verarbeitet“, erklärt der Erstautor der Studie auf Nachfrage von netDoktor. Eine Schlüsselrolle spiele dabei die Amygdala – zu Deutsch: der Mandelkern.

Wenn der Mandelkern gestresst reagiert

Zwei Mandelkerne gibt es: Je einer sitzt im vorderen Teil der beiden Temporallappen. Ihre Aufgabe ist es, Sinneseindrücke emotional zu bewerten und besonders eindrückliche Erfahrungen im Gedächtnis zu speichern. Das ermöglicht unter anderem schnelle Reaktionen auf Gefahrensituationen. Dazu beeinflusst die Amygdala auch Herzschlag und Atmung.

Ein wichtiger Gegenspieler ist der präfrontale Kortex, der an der Entscheidungsfindung und Impulskontrolle beteiligt ist: „Er beruhigt und kontrolliert die Amygdala und ihre negativen Signale“, sagt Tawakol.

Mehr Bewegung bedeutet weniger Stress im Hirn

Tatsächlich stellten der Wissenschaftler und sein Team fest, dass bei Personen, die sich mehr bewegten, die stressbedingte Hirnaktivität tendenziell geringer war. Diese lässt sich mithilfe eines sogenannten PET-Scans feststellen, der die Aktivität der verschiedenen Hirnregionen erfasst.

Solche Scans zeigten auch, dass dieser Effekt vornehmlich auf eine verbesserte Funktion des präfrontalen Kortex zurückzuführen war. „Darüber hinaus kann körperliche Betätigung die Aktivität der Amygdala auch direkt verringern. Allerdings scheint die Wirkung auf den Kortex größer zu sein“, erklärt Tawakol gegenüber netDoktor.

Wie viel Sport ist empfehlenswert?

Seine Forschungsgruppe hatte Daten von mehr als 50.0000 Teilnehmenden ausgewertet. Diese hatten Angaben zu ihrer körperlichen Aktivität und anderen gesundheitsrelevanten Faktoren gemacht.

Als Maßstab für ausreichende körperliche Aktivität dienten die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO. Diese liegen bei mindestens 150 Minuten moderater sportlicher Aktivität pro Woche oder 75 Minuten intensiven Trainings.

Anschließend wurde die gesundheitliche Entwicklung der Teilnehmenden über einen Zeitraum von durchschnittlich zehn Jahren begleitet. 774 von ihnen hatten sich zusätzlich einem PET-Scan unterzogen.

150 min

Sport

pro Woche


Das Ergebnis:
Rund 13 Prozent aller Teilnehmenden entwickelten in dieser Zeit eine Herz-Kreislauf-Erkrankung. Für Personen, die die Empfehlungen der WHO für körperliche Aktivität erfüllten, war das Risiko um 23 Prozent geringerer.

Menschen mit Depressionen profitieren doppelt

Am eindrucksvollsten profitierten Personen, die unter Depressionen litten, von Bewegung:

Körperliche Aktivität senkte das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Menschen mit Depressionen etwa doppelt so effektiv. Das könnte die Ergebnisse erklären.

Studienleiter Dr. Ahmed Tawakol

Die Beobachtung ist umso bedeutsamer, als Menschen mit Depressionen ohnehin besonders häufig Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickeln – und umgekehrt. Dazu trägt sicher auch bei, dass eine Depression sich negativ auf den Lebensstil auswirkt: Den Betroffenen fehlt die Energie dafür, sich gesund zu ernähren und zu bewegen, ihre sozialen Kontakte zu pflegen, und sie trinken häufig verstärkt Alkohol.

Dass Sport bei ihnen ein so mächtiger Hebel zum Herzschutz ist, ist eine wichtige Botschaft. Ohnehin weiß man, dass körperliche Aktivität auch eine direkte antidepressive Wirkung entfaltet. Denkbar wäre, dass auch hier der Einfluss der Bewegung auf die Stressreaktionen im Gehirn eine zentrale Rolle spielt.

Welche Rolle spielt aktiviertes Knochenmark?

Die genauen Mechanismen, über die Sport die Herz-Kreislauf-Gesundheit beeinflusst, hat Tawakol bereits in einer früheren Studie untersucht. Damals fand das Team heraus, dass eine erhöhte Amygdala-Aktivität mit einer erhöhten Stoffwechselaktivität des Knochenmarks und der Arterien einhergeht.

Tawakol stellte damals die Hypothese auf, dass die Amygdala bislang noch unbekannte Signale ans Knochenmark sendet, das daraufhin die Produktion weißer Blutkörperchen hochfahren könnte. Und diese könnten wiederum eine Entzündungsreaktion in den Arterien anstoßen und so atherosklerotische Gefäßveränderungen begünstigen.

Noch sind diese Mechanismen aber nicht belegt. Dazu seien weitere Studien nötig, die Zusammenhänge nachweisen, betonen die Forschenden.

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