- Text : Christiane Fux
- Lesedauer : 3 Minuten
Schmerz ist ein Gefühl, das Aufmerksamkeit fordert. In akuten Situationen muss er das auch, denn er warnt davor, dass etwas nicht in Ordnung ist. Anders der chronische Schmerz: Er hat seine Alarmfunktion verloren und sich verselbstständigt.
Welche Rolle spielt die Psyche?
Die Menschen betrachten chronische Schmerzen als eine körperliche Erkrankung, die einen körperlichen Eingriff erfordert
Prof. Eric Garland, Gesundheitswissenschaftler und Psychologe an der University of California in San Diego
Achtsamkeitstraining oder Verhaltenstherapie?
Sowohl in der Kognitiven Verhaltenstherapie als auch in der sogenannten achtsamkeitsbasierten Therapie (MBT) lernen Patientinnen und Patienten dem Schmerz neu zu begegnen, so dass sie besser mit ihm leben können.
Dass diese Methoden vielversprechend sind, haben frühere Studien gezeigt. Doch für die kognitive Verhaltenstherapie fehlten Erkenntnisse zur Langzeitwirkung, für die MBT gab es nur wenige Untersuchungen.
Gemeinsam mit seinem Team hat Garland die Wirksamkeit beider Methoden nun an 770 Patienten und Patientinnen mit chronischen Schmerzen im unteren Rücken untersucht. Alle litten unter so gravierenden Beschwerden, dass sie Opioide einnehmen mussten. Verschiedene vorangegangene Behandlungsversuche hatten die Schmerzen nicht ausreichend lindern können.
Täglich 30 Minuten üben
Die Hälfte der Teilnehmenden nahm über einen Zeitraum von acht Wochen zweimal wöchentlich an einer verhaltenstherapeutischen Gruppensitzung unter der Leitung eines Therapeuten teil. Die andere Hälfte absolviert stattdessen zweimal wöchentlich ein Achtsamkeitstraining in der Gruppe.
Während dieser Zeit und in den anschließenden zehn Monaten sollten die Teilnehmenden täglich selbstständig 30 Minuten allein entsprechende Verhaltens- oder Achtsamkeitsübungen absolvieren. Sie wurden nicht speziell dazu angeregt, ihre Opioid-Dosis zu reduzieren.
Weniger Schmerzen, mehr Lebensqualität
Am Ende der Studie berichteten die Teilnehmenden beider Gruppen über spürbare und langanhaltende Verbesserungen. Ihre Schmerzen hatten sich verringert, viele Teilnehmende reduzierten ihre Opioid-Dosis auf eigene Initiative.
Außerdem berichteten die Frauen und Männer über eine verbesserte gesundheitsbezogene Lebensqualität auch noch nach zwölf Monaten.
Kognitive Verhaltenstherapie – etablierter Ansatz
Die kognitive Verhaltenstherapie ist die psychologische Standardbehandlung für Menschen mit chronischen Schmerzen und entsprechend Teil der Behandlungsleitlinien. Dabei lernen die Betroffenen unter anderem negative Gedanken und damit auch negative Gefühle zu verändern.
Achtsamkeitsbasierte Therapie – alternativ-psychologische Methode
Die achtsamkeitsbasierte Therapie (MBT) dagegen ist eine alternativ-psychologische Methode. Dabei lernen die Betroffenen, Körperempfindungen, Gedanken und Gefühle wahrzunehmen, ohne sie zu bewerten. Statt dagegen anzukämpfen, können sie eine akzeptierende Haltung gegenüber dem Schmerz einnehmen.
Hilfe nicht nur bei Rückenschmerzen
Das Forschungsteam betont, dass die untersuchten Methoden nicht nur bei Rückenschmerzen, sondern bei allen Schmerzzuständen und Schmerzintensitäten eingesetzt werden könnten. Sie seien ein weiteres Werkzeug im Umgang mit chronischem Schmerz, schreiben die Autorinnen und Autoren.
Lernen, mit dem chronischen Schmerz zu leben
„Diese Therapien bieten keine vollständige Heilung, aber sie lehren die Betroffenen, wie sie die inneren Ressourcen entwickeln können, die sie brauchen, um mit chronischen Schmerzen fertig zu werden und ein besseres Leben zu führen“, sagt Garland.
„Menschen können mit Schmerzen leben, aber sie müssen wissen, was sie dafür tun können. Diese Studie gibt ihnen ein Gefühl der Hoffnung. Sie zeigt, dass man es schaffen kann“, erklärt auch Penney Cowan, Gründerin der American Chronic Pain Association und Mitautorin der Studie.
Hinweis bzgl. Aussagekraft
Fehlende Kontrollgruppe schwächt Aussagekraft
Eine Schwäche der Studie ist, dass es keine Kontrollgruppe ohne entsprechende psychologische Schulung gab. Damit fehlt der Nachweis, dass die Verbesserungen tatsächlich Folge der Therapien sind und nicht ohnehin im Laufe der Zeit aufgetreten wären.
Das allerdings halten die Forschenden wegen der schon im Vorfeld langanhaltenden Schmerzen und den Vorerfahrungen der Teilnehmenden mit chronischen Schmerzen insgesamt für unwahrscheinlich.
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